Wir müssen unser Ändern ändern

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Der Podcast für sozialen Wandel

„Being a revolutionary is like being in love … they do not learn from other people’s mistakes and repeat all the same errors.”

Paul Rosenstein-Rodan

Das „Macht-Manöver“-Manifest

Mehr Protest, mehr Engagement, mehr Demokratie: Das ist der Ausweg aus dem gesellschaftlichen Clusterfuck. 9 Thesen, warum wir mehr Geschichten über das „Wie“ von sozialer Veränderung benötigen. Up for debate!

Wir haben eine neue Ära betreten. Diese andere Zeitenwende begann irgendwann nach der Finanzkrise 2008. Die neue Zeit ist eine des politischen Protests. Das Center for Strategic and International Studies konstatierte im März 2020: „Wir leben in einem Zeitalter globaler Massenproteste, die hinsichtlich Häufigkeit, Umfang und Größe historisch beispiellos sind.“ Das gilt auch für Europa: Hier hat sich zwischen 2009 und 2019 die Zahl der jährlichen Anti-Regierungs-Proteste mehr als verdreifacht. Der politische Kampf feiert ein Comeback. Aber er hat noch viel zu lernen.

Die Zunahme politischer Proteste, von Widerstand, von sozialen Bewegungen hat ihren guten Grund. Wir leben im Zeitalter der „Polykrise“, wie es nicht nur der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze nennt. Wir haben es mit vielen Krisen gleichzeitig zu tun und manche davon verstärken einander auch noch. Eine Art gesellschaftlicher Clusterfuck: Sehr viel funktioniert nicht so, wie es sollte. Klimakrise, Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Verschwendung, Ausbeutung, autoritäre Regierungen: Die sozialen Systeme – von Regierungen bis zu Märkten – sind nicht mehr in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen und wichtige Probleme zu lösen. Die Schlussfolgerung für viele Menschen: So kann es nicht weitergehen. Es muss sich was ändern. Der Geruch von Transformation liegt in der Luft.

Jedoch: Wenn es um Veränderung geht, ist unsere Gesellschaft paradox. Wir predigen gerne Disruption und Innovation – aber im Wesentlichen belassen wir doch alles beim Alten. Veränderung ja, aber nur im vorgegebenen Rahmen. Tatsächlich kleben wir am Status quo, ohne es zu merken. Denn wir haben auf eine Dimension unseres Lebens vergessen. Nämlich auf die kollektive und das heißt: auf die politische. Politik bedeutet, das Gemeinsame zu gestalten – und zwar gemeinsam. Nach welchen Regeln wollen wir zusammenleben? Hier benötigen wir tatsächlich mehr Disruption und Innovation. Denn manche Probleme haben systemische Ursachen und benötigen daher systemische Lösungen.

Demokratische Beteiligung bedeutet für die meisten, wählen zu gehen (außer das Wetter ist zu schön). Das reicht offenbar nicht aus, um die Demokratie am Leben zu erhalten und die gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Die Regierungen in Österreich und Deutschland propagieren daher Bürgerräte, um ein bisschen mehr Beteiligung anzustoßen. Im Programm der deutschen Bundesregierung wird das als „lebendige Demokratie“ bezeichnet. Lebendigkeit kann jedoch schwer verordnet werden, sie muss wachsen. Daher brauchen wir eine Renaissance der Zivilgesellschaft. Wir brauchen mehr Disruption – aber eine, die von der Zivilgesellschaft vorangetrieben wird, nicht von Start-ups. Wir brauchen mehr Innovation und mehr Eigeninitiative – aber nicht durch Rendite-Erwartungen motiviert, sondern durch demokratischen Fortschritt. Wir brauchen mehr Protest, mehr Widerstand, mehr Engagement. Kurz gesagt: mehr Demokratie. Wir müssen unser Ändern ändern.

In den vergangenen 50 Jahren wurden wir davon überzeugt, dass wir in erster Linie Kosument:innen sind, die Dinge kaufen – und nicht Bürger:innen, die demokratisch handeln. So fasst es (zum Beispiel) der britische Aktivist und Autor George Monbiot zusammen. Die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux schreibt über die 1990er Jahre: Damals hätte die Idee des politischen Kampfes geradezu lächerlich geklungen, sei als „marxistisch“ diskreditiert gewesen. Doch wie schon erwähnt: Die Zeiten ändern sich. Die Politik ist in die Gesellschaft zurückgekehrt, stellt der Historiker Anton Jäger unter anderem in der Zeitschrift „Jacobin“ fest: „Die Ära der Post-Politik ist eindeutig vorbei.“ Die Konsument:innen sind dabei, wieder zu Bürger:innen zu werden – und Verantwortung für das Gemeinsame zu übernehmen.

Also alles gut? Noch nicht ganz. Die Renaissance einer politischen Zivilgesellschaft ist eine zarte Pflanze. Viele wollen etwas ändern, aber wissen nicht genau, wie sie das angehen sollen. An folgenden Beobachtungen zeigt sich eine gewisse Unbeholfenheit:

  • Ein großer Teil der (deutschen, österreichischen) Bevölkerung hält politische Proteste für illegitim, wenn sie auch nur ein wenig den Alltag beeinträchtigen – siehe die Aktionen der Letzten Generation für ein Anliegen, von dem immerhin das Überleben der Menschheit abhängt.
  • Viele Menschen verspüren ein intensives Gefühl der Unzufriedenheit mit den Verhältnissen und wünschen sich eine Veränderung. Sie engagieren sich aber nicht für eine bessere Gesellschaft, weil sie schlicht nicht wissen, wie und wo sie anfangen sollten – und weil die Idee des „politischen Kampfes“ für viele eben immer noch etwas Anrüchiges hat. Zu viele intelligente, progressive Menschen waren noch nie auf einer Demo.
  • Viele Menschen engagieren sich für wichtige Anliegen, ihr Engagement ist aber nicht effektiv oder nicht effektiv genug. Fridays for Future inspiriert Millionen von Menschen dazu, auf die Straße zu gehen, die Letzte Generation dominiert monatelang die Medien – aber was bringt das? Das wissen wir nicht genau, aber vermutlich zu wenig. Schon in den 1970er Jahren verglich der Ökonom Paul Rosenstein-Rodan Revolutionäre mit Verliebten: „Being a revolutionary is like being in love … they do not learn from other people’s mistakes and repeat all the same errors.” Seit jeher fehlt eine umfassende Debatte über wirkungsvolle Strategien politischer Veränderung. Und damit die Grundlage, um Fortschritte im Kampf für den Fortschritt zu machen.

Was hat all das mit einem journalistischen Projekt wie „Macht-Manöver“ zu tun? Für den New Yorker Medien-Guru Jeff Jarvis besteht die Aufgabe von Journalismus darin, „Gemeinschaften zu zivilisierten, informierten und produktiven Gesprächen zusammenzubringen“. „Macht-Manöver“ möchte genauso eine Unterhaltung anstoßen und begleiten. Für die Gemeinschaft all jener, die für eine bessere – gerechtere, nachhaltigere, demokratischere, friedlichere, solidarischere – Welt kämpfen oder kämpfen wollen. Dabei soll es um das „Wie“ von politischer Veränderung gehen: Wie kommen wir von A nach B? Mit welchen Macht-Manövern können politische Ziele erreicht werden? Wie sind konkrete politische Transformationen zustande gekommen, welche Strategien und Methoden waren dabei erfolgreich und was können andere Bewegungen und Kampagnen von diesen Erfahrungen lernen?

Was nicht im Mittelpunkt stehen soll: Was in der Gegenwart alles falsch läuft und wie eine bessere Welt aussehen könnte. Darüber wird (zum Glück) schon genug geredet. Ebenso wie darüber, mit welchen Veränderungen im persönlichen Lifestyle (zum Beispiel nachhaltigem Shopping) Transformationen unterstützt werden können. Was fehlt, sind Geschichten über das Wie von politischer, systemischer Veränderung.

„Macht-Manöver“ ist kein Selbstzweck, sondern soll einen Unterschied bewirken:

  • Die Leser:innen & Hörer:innen von „Macht-Manöver“ verstehen, wie konkrete politische Veränderungen zustande gekommen sind. Der Blick hinter die Kulissen und das Erklären von Entwicklungen über die Zeit hinweg schaffen Verständnis und Klarheit – im Gegensatz zur Verwirrung, die herkömmliche Medien mit ihren oberflächlichen Schlaglichtern auf aktuelle Ereignisse oft stiften.
  • Die Geschichten geben gute Gründe für Hoffnung und Optimismus. Denn sie zeigen anhand von Erfolgsbeispielen, dass Veränderung tatsächlich möglich ist.
  • Sie können zu zivilgesellschaftlicher Aktivität anregen, da sie zeigen, wie erfolgreiche Formen des Engagements aussehen.
  • Nicht zuletzt hilft „Macht-Manöver“ Aktivist:innen dabei, erfolgreicher für ihre Anliegen zu kämpfen. Die Reflexion von strategischen Entscheidungen und der Erfahrungsaustausch mit erfahrenen Personen erhöhen die Chance auf Erfolg. Der Fokus auf das „Wie“ der Veränderung schafft zudem eine gemeinsame Sprache der Transformation für unterschiedliche emanzipatorische Kämpfe – und damit die Grundlage für neue, effektive Allianzen.

Demokratie bedeutet mitreden und mitmachen. Die Vision des Projekts „Macht-Manöver“ ist in diesem Sinne demokratisch: Hier sollen nicht Inhalte an passive Konsument:innen verteilt werden. Sondern mit der Zeit ein Raum entstehen, der Austausch und Miteinander ermöglicht – und damit Fortschritt für alle.

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